Stadtziegelei und Kalkbrennerei Rathenow.
Von Heike Brett Rathenow — Mail: heikebrett@gmx.deZurück zur Seite Rathenower Kaufleute SITTIG
Lage: Hinter der Baustrasse, an der Stadtmauer, zwischen dem Jederitzer Tor und dem Steintor. Zwei Zugänge durch die Stadtmauer dienten zum Einkarren der Ziegelerde, die vom Jederitzer Feld kam und zum Auskarren der gebrannten Steine. Günstige Lage am Stadtkanal. Erwähnung: "Magistrats Steinschiff" und "Ratsziegelschiff" zum Abtransport der Steine z.B. nach Berlin und Hamburg, sowie Kalktransporte von Rüdersdorf nach Rathenow. Laut Guthjahr steht der Bau der Ratsziegelei im Zusammenhang mit der Erweiterung der Stadtmauer im Jahre 1409.
Die Stadtziegelei Rathenow am Schleusen-Kanal, hinter den Bäumen rechts.
Im Jahre 1694 brennt (lt. Prof. Günther) die Ziegelscheune durch einen "Wetterstrahl" erneut ab, weil sie noch mit Rohr gedeckt war. Das war lt. Triebke ("Rathenographia") eine Strafe Gottes, weil der Magistrat seine Bürger angewiesen hatte seine Häuser zukünftig mit Ziegeln einzudecken, selbst aber aus Kostengründen die Ziegelscheune weiter mit Rohr bedeckt ließ. Für das jetzt noch bestehende Ziegelmeisterhaus in der Ziegelstraße wird als Baujahr 1720 angegeben (Guthjahr). Die vordere Hauswand dürfte nicht aus dem Jahre 1720 sein, denn die verwendeten Ziegelsteine mit Stempel sind zweifelsohne aus dem 19. Jahrhundert. Der Sockel des Hauses scheint dagegen für das Baujahr 1720 zu sprechen (ohne Stempel).
Ab etwa um diese Zeit wurde die Ziegelei "brandweise" verpachtet. So erfolgten im Jahre 1827 zehn Brände. Je Brand mussten in diesem Jahr 81,- Rtl. an den Magisterat gezahlt werden. Die letzten Pächter, die die Stadtziegelei im Auftrage der Stadt Rathenow betrieben waren von 1820-1826 Johann Ludwig Borchmann und von 1827-1837 Gotthelf Sittig. Als Gotthelf Sittig am 9.Sept. 1837 starb, übernahmen seine Erben die Funktion des Pächters.
Ziegelmeisterhaus (Foto: H. Brett) in der heutigen Ziegelstraße Rathenow (auf dem Plan von Wagener 1802,
als "Ziegelei (Lazareth)-Gasse" bezeichnet (bei u), siehe Karte A
RATHENOW STADT=ZGL (vertikaler Strich in der Unterzeile) — Fundort:
Berlin, St. Marien- und St. Nikolai-Friedhof I
So wurde Wiese privater Eigentümer der Stadtziegelei Rathenow, allerdings musste er dem Magistrat das Vorkaufsrecht einräumen. Als Emilie Wiese, die Tochter des verstorbenen Besitzers, die Ziegelei im Jahre 1890 verkaufen wollte, nahm die Stadt Rathenow dieses Recht wahr und kaufte die Ziegelei zurück. Für einige Jahre wurde nun noch die Familie Kaunitz als Pächter eingesetzt, sie übten diese Funktion bereits bei der Familie Wiese aus. Im Jahre 1902 wurde die Pacht gekündigt (Verlustgeschäft) und die Ziegelei auf Abriss verkauft. Auf dem Gelände der ehemaligen Stadtziegelei wurde nunmehr ein Elektrizitätswerk errichtet.
Literatur:
1) Denkwürdigkeiten der Churmärkischen Stadt Rathenow, Sam. Chrph. Wagener,
Berlin 1803, Seiten 156, 157, 279 - 281. Online lesen, hier Seite 136 "Raths-Ziegelei"
2) Bilder aus Alt- Rathenow, Prof. H. Günther - Die Altstadt vor der Erbauung der Neustadt 1733, Rathenow 1934, Seite 180 u. 186
3) Die Kunstdenkmäler des Kreises Westhavelland, Berlin 1913, Seite 178 u.193
4) Dr. Max Ferenzcy, Töpfer- u. Ziegler Zeitung 1890 - Die Rathenower Ziegel-Fabrikation
und Kalkbrennerei, wie sie einst war (nach zwei alten Urkunden) hier als PDF-DATEI
5) Archiv des Landkreises Havelland in Friesack
6) Stadtziegelei — Rathenower Heimatkalender 1991, Erika Guthjahr, Seite 67,
"Aus der Geschichte der Ziegelindustrie von Rathenow und Umgebung"
Eine ausführliche Beschreibung der Stadt-Ziegelei als Auszug (Faksimile):
Bilder aus Alt-Rathenow — Die Altstadt Rathenow vor der Erbauung der Neustadt 1733,
von Hermann Günther — Rathenow 1934 PDF-DATEI
Zurück zur Seite Rathenower Kaufleute SITTIG
Weitere Informationen die im Zusammenhang mit der Stadt-Ziegelei stehen:
Beiträge zur Baugeschichte von Sanssouci. Backschat, Friedrich LINKJournal (Teilausgabe, Hohenzollern Jahrbuch) 1916, PDF-DATEI
Adreßbuch der Kaufleute und Fabrikanten von ganz Deutschland, so wie der Haupthandels- und Fabrikorte des übrigen Europa's und der anderen Welttheile. 1833 Quelle: LINK
Karten zur Lage der ehemaligen Stadt-Ziegelei:
A. um 1803 (die Nord-Südrichting ist vertauscht), Karte aus: 1) Denkwürdigkeiten der Churmärkischen Stadt Rathenow zurück zum TEXT obenB. um 1886, Karte des Dtsch. Reiches 1:100.000, Blatt Stendal
C. Karte aus der Gegenwart
A. um 1803 (die Nord-Südrichting ist vertauscht).
Karte aus: 1) Denkwürdigkeiten der Churmärkischen Stadt Rathenow
Ziegelei (Lazareth)-Gasse u = heute Ziegelstraße
Bei 3 = laut Ferenzy (siehe Literatur Nr. 4) wurde um die Mitte des 18. Jahrhunderts (1779), zwischen der Havel und dem Rathenower Weingärten eine weitere Königliche Kalkbrennerei angelegt.
B. um 1886, Karte des Dtsch. Reiches 1:100.000, Blatt Stendal
C. Karte aus der Gegenwart
Weitere Ziegelstempel:
die im Zusammenhang mit der Rathenower Stadt-Ziegelei stehen, Ziegelstempel wie RATHENOW STDT=ZGL können nur mit Einschränkung den Pächtern, bzw. späteren Besitzern der Stadt-Ziegelei zugeordnet werden.Ziegelstempel: RATHENOW ST(A)DT=ZGL um 1845-1850 — Fundort:
Berlin, Friedrich-Werderscher Friedhof, Bergmannstrasse 44
RATHENOW STADT=ZGL. ( X in der Unterzeile) — Fundort: Berlin, Dorfkirche in Lichtenberg
RATHENOW STADT-ZIEGL. — Fundort: Mehrow, Dorfstrasse (... mehr lesen bei Mehrow.de )
Pächter der Stadt-Ziegelei (Johann Ludwig) J. L. BORCHMANN S. RATHENOW
(Punkt Querstrich Punkt in der Unterzeile) Dachziegel — Fundort: Potsdam, eigene Sammlung
Pächter der Stadt-Ziegelei SITTIG.R Gotthelf Sittig (R= Rathenow) — Fundort: Berlin-Köpenick
(Kirche, um 1842, Turm und Aussenwände), auch als S.R in sehr großer Anzahl
Pächter der Stadt-Ziegelei BABENZIEN. RATHENOW ( Punkt, auf der Spitze stehende Raute) — Fundort: Berlin
L. R und L. RATHENOW Vermutlich Erbpächter Julius Wilhelm Lindemann — Fundort: Berlin
W. R (Rautenpunkt) Vermutlich Erbpächter Carl Friedrich Wilhelm Wiese — Fundort: Berlin, eigene Sammlung