Ziegelei Witte. Die betriebliche Entwicklung nach 1945.
Was im Mai 1945 in der Ziegelei Witte geschah, ist nicht bekannt. Viele Unternehmer wurden als „Kapitalisten“ von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet, so möglicherweise auch Georg Witte. Dafür gibt es aber keine Bestätigung. In der Ziegelei waren während des Krieges etwa 15 russische und ukrainische Zwangsarbeiter beschäftigt (58), aber wenn sie gut behandelt worden waren, führte das nicht zu Bestrafungen.Brief aus Bad Sachsa v. 02.12.1945 an Fa. Pohl & Baum Bützer. (26)
Georg Witte war auf jeden Fall zum Jahreswechsel 1945/46 wieder in Bützer, um den Betrieb weiterzuführen. Nach den Zerstörungen des 2.Weltkrieges gab es in ganz Deutschland einen erhöhten Bedarf an Dachziegeln, der unter schwierigen Produktionsbedingungen gedeckt werden musste.
Frauen bei der Arbeit um 1955. (43;56)
Sie wurden in Bützer besonders für den Transport der Kipploren und Mehretagenwagen auf dem umfangreichen Schienensystem mit Weichen, Drehscheiben und Seilwinden eingesetzt.
Die Ziegelerde wurde aus den Kähnen auf ein Förderband geschippt und in die auf der Rampe stehenden Loren abgeworfen. Von dort aus gelangten die Loren, von Hand oder mittels Seilzug bewegt, zum „Lehmberg“ als Zwischenlager.
Nach der Produktion wurden die fertigen Ziegel entweder auf dem Betriebsgelände gelagert oder auf dem Schienenweg direkt zur Verladerampe gefahren und in die Schiffe eingestapelt.
Außer dem Rohstoff und den Fertigprodukten mussten auch Steinkohle und Asche transportiert werden.
Zeitzeugen erinnern sich daran, dass es für einen Teil des Schienennetzes auch eine Mini-Rangierlokomotive mit Deutzmotor gab (26).
Arbeiterinnen der Ziegelei Witte 1953. (26)
Nach der guten alten Tradition von Familienbetrieben begleitete Georg Witte als Chef seine Belegschaft beim Betriebsausflug nach Potsdam-Sanssouci, an dem rund 30 Mitarbeiter teilnahmen. Die Stimmung scheint gut gewesen zu sein, denn es ging in der Wirtschaft und so auch in der Ziegelei von Witte wieder aufwärts. Der Optimismus hielt aber nicht lange an. Die Entscheidungsspielräume für das Unternehmen wurden immer enger. Am 20.08.1958 wurde von staatlicher Seite der bisherige Ziegelmeister Ludwig Weiß als Treuhänder eingesetzt, unterstützt vom Buchhalter Willi Rudolf.
Betriebsausflug Anfang der 50er Jahre. (56)
Georg Witte zog es vor, am 04.04.1959 mit seiner Familie nach Westdeutschland auszureisen, nachdem seine Tochter Annemarie und der Schwiegersohn Dr. Sömmer schon ein Jahr vorher diesen Weg gegangen waren. Die Wittes gaben ihre Heimat und ihr Eigentum auf, um nicht länger bevormundet zu werden.
Firmenstempel Treuhandbetrieb 1964. (53)
Ab 1964 übernahm der VEB Brandenburger Ziegelwerke Krahnepuhl den Betrieb in Bützer mit 40 Beschäftigten, darunter 22 Frauen.
Bald danach wurden nur noch Beton-Segmentsteine hergestellt, so dass erfahrene Fachleute, zum Beispiel der langjährige Brennmeister Max Pritzkow (1906-1985), die Ziegelei verließen und sich eine andere Arbeit suchten, in diesem Fall in einem Premnitzer Baubetrieb. Die Stilllegung erfolgte 1969 wegen Baufälligkeit. Die letzten Jahre waren also kein Ruhmesblatt für die Ziegelei.
Arbeitsausweis Max Priskow. (53) Schornstein des Ringofens. (26)
Rampe und Förderband um 1957. (42) Verladerampe an der Havel 1957. (42)
Fertige Dachziegel um 1960. (26;42) Beton-Segmentsteine um 1965. (42)
Durch Brandstiftung wurde 1969 ein großer Schuppen an der Havel vernichtet. Bald danach erfolgten die endgültige Einstellung der Produktion und der schrittweise Abriss, u.a 1974 mit der Sprengung des alten Schornsteins von 1877 mit rundem Querschnitt. Der viereckige Schornstein war 1972 nach einem Blitzeinschlag beschädigt worden, wurde aber aus Denkmalschutz-Erwägungen heraus nicht beseitigt, sondern in der verringerten Höhe mit einem Betonkranz gesichert. Sogar ein Wagenrad für Störche wurde aufgebracht. In den Denkmallisten des Kreises Rathenow von 1977 und in der aktuellen Liste des Landkreises Havelland ist der Schornstein allerdings nicht enthalten.
Die Ziegeleibesitzer im Überblick:
- 1857-1870 J.F. Witte
- 1870-1958 F. Witte & Co. Handelsgesellschaft mbH Gesellschafter: J.F. Witte, A.F. Witte u. A.F. Seeger, ab 1889 Hermann Witte, ab 1910 Georg Witte
- 1958-1964 Treuhänder: Ziegelmeister Weiß und Buchhalter Rudolf
- 1964-1969 Teil des VEB Brandenburger Ziegelwerke Kranepuhl
- 1969 Stillegung wegen Baufälligkeit bis
- 1975 Abriss (außer Viereck-Schornstein)
Stempel dieser Ziegelei:
Reihe 1: Steine vermutlich hergestellt zwischen 1857 und 1870, aber Bedeutung „S.v.S.“ unklar; Lieferungen u.a.:
Feuerwache Berlin-Luisenstadt u. St.-Johanneskirche (37) sowie Bützer und Vieritz (54)
Reihe 2 u. 3: Steine hergestellt ab 1870, später überwiegend Dachziegel mit variierten Stempeln; Lieferungen u.a.:
Berlin, Stettin, Magdeburg u. Prignitz (3) sowie regional, z.B. Bützer, Milow u. Kleinwusterwitz (54)