Berlin und seine Bauten 1877. A. Die Baumaterialien.

b) Backsteine und Terrakotten, Seite 251. (LINK zur Seite)

— Seit den letzten Jahren, namentlich seit dem französischen Kriege hat es den Anschein, als wollte bei allen Staat- und den besseren Privatbauten der Werkstein den Backstein verdrängen, gleichsam als schämte sich die Kaiserstadt ihrer ärmlichen Herkunft. Wenn dies auch in architektonischer Hinsicht und als ein Zeichen gesteigerten Wohlstandes freudig begrüsst werden müsste, so wäre es doch zu beklagen, wenn dadurch der Backstein zum Proletarier herabgedrückt, und die Ziegeltechnik, auf welche die Mark Brandenburg von der Natur hingewiesen ist, in ihrer jetzt so glänzenden Entwickelung gehemmt werden sollte. — Freilich ist Berlin auch in dieser Beziehung keineswegs günstig gestellt; denn die Ziegelerde, wenngleich in grosser Menge vorhanden, findet sich fast nirgends in der Nähe der Stadt, und nirgends von der Natur so unmittelbar verwendbar geliefert, wie z. B. in Wien, London und anderen Orten. Vielmehr ist sie überall mit einer Sandschicht bedeckt, die gerade an den bedeutendsten Arbeitstellen 10-18" und darüber erreicht. An einigen Hauptfundorten muss sie sogar unter Wasser in mühsamer und kostspieliger Weise gewonnen werden. Auch unter Torf wird stellenweise Ziegelerde ausgebeutet. — Abgesehen von wenigem, ganz untergeordneten Material müssen die Ziegel aus ziemlicher Entfernung nach Berlin geschafft werden, doch wird ihr Transport durch Havel und Spree mit ihren zahlreichen Nebenseen und die zur Verbindung derselben mit der Elbe und Oder angelegten Kanäle wesentlich erleichtert, und man kann sagen, dass hierdurch allein der Stadt Berlin ihr Emporkommen möglich gewesen ist. Die Eisenbahnen schaffen nur einen verschwindend kleinen Theil des Materials heran und beschränken sich meist auf die besseren Sorten, welche einen kostspieligeren Transport vertragen können. Nur in den Zeiten der höchsten Bauthätigkeit. wo die näher und am Wasser belegenen Ziegeleien den Bedarf nicht decken können, wie in den Jahren 1872-74, sind die Eisenbahnen auch zur Heranschaffung der gewöhnlichen Steine aus grosser Entfernung benutzt worden. Glücklicherweise kommen an vielen zugleich am Wasser belegenen Punkten Erden von solcher Beschaffenheit vor, dass sie ohne weitere Zubereitung und mit leichter Mühe zu Ziegeln von mässiger Güte verarbeitet werden können und diesem Umstände ist es hauptsächlich zu verdanken, dass die gewöhnlichen Hintermauerungsteine in Berlin billig sind, wogegen allerdings feinere Verblendsteine mit den höchsten Preisen bezahlt werden.
— Wenn man von den feuerfesten Erden und der Braunkohlenformation der Mark, der Lausitz und der Provinz Sachsen absieht, welche erst seit wenigen Jahren den Berliner Bauten zu Gute kommen, so ist nirgends in nennenswerthen Lagern der fette plastische, eigentliche Töpferthon vorhanden: nur die Rathenower Erde kommt ihm nahe. Nach der Qualität der Erde lassen sich sämmtliche für Berlin arbeitende Ziegeleien in drei grössere Gruppen zusammenfassen.

1. Die erste Gruppe umfasst die Ziegeleien, welche die sogenannten Rathenower Steine liefern im untern Inundationsgebiet der Havel und der anstossenden Elbniederung, woselbst der Thon nur in schwächeren, kaum 1m dicken Lagern und Nestern vorkommt, aber bereits soweit aufgebraucht ist, dass er bei Rathenow selbst fast nicht mehr vorhanden ist und nur aus entfernteren Ablagerungen oder von der Elbe zur Verarbeitung dorthin verfrachtet wird. Dieser Thon, meist Wiesenthon von gelblicherdiger Farbe, ist fett und plastisch, eisenhaltig und stark mit schwarzfärbenden Knoten von Eisenoxydhydrat versetzt, deren Vorkommen für diese Erde charakteristisch ist; sie enthält ca. 63% Thonsubstanz und keinerlei schädliche Beimischungen, wird nur durch Auswintern und im Thonschneider bearbeitet, meist noch mit der Hand geformt, und in Oefen alter Konstruktion gebrannt; sie reisst leicht und verlangt daher vollständig verschliessbare Trockenöfen. Diese Erde giebt schon bei Schwachbrand einen festen, wenn auch nicht wetterbeständigen Stein von hellrother ins Gelbe fallender Farbe, färbt sich bei stärkerem Brande ziegelroth bis braun und bei Klinkerbrand schliesslich violett. Für das alte Berlin lieferte sie das wichtigste Material für Rohbauten (Klosterkirche, Marienkirche etc.), welches bis in die neueste Zeit für stark belastete Konstruktionen fast ausschliesslich verwendet wurde, jetzt aber mehr und mehr durch Klinker aus anderen Erden ersetzt wird; sie liefert dagegen fast ausnahmlos noch die Dachsteine für Berlin und Umgegend. — Stark eisenhaltige rothfärbende Erden (meistens sandige Lehme), welche in der Nähe des Plauenschen Kanals und an andern Orten gefunden werden, liefern einen ähnlichen Stein, den sogen, wilden Rathenower, wie denn überhaupt im gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht selten jeder roth aussehende einigermaassen tragfähige und wetterbeständige Ziegel „Rathenower" genannt wird.

2. Das weitaus grösste Quantum von Ziegeln — vielleicht 80% — liefern die Ziegeleien, welche meist graubläulieh gefärbte, kalkhaltige und in sehr verschiedenen Mischungsverhältnissen auftretende Erden verarbeiten. Letztere haben den Vorzug, dass sie wegen ihres bedeutenden Gehalts an fein vertheiltem kohlensauren Kalk und feinem Sande meist wenig Neigung für Trockenrisse zeigen; sie sind fast durchweg in stärkeren Bänken abgelagert und frei von schädlichen Beimischungen, erfordern keine besonders hohen Temperaturen beim Brennen und vereinfachen dadurch die Fabrikation, so dass sie die billigsten Steine liefern, welche bei Schwachbrand erdig röthlich erscheinen, bei Mittelbrand weisse, bei Hartbrand gelbe, dann orange und endlich als Klinker grüne Farbe annehmen. Wo diese Erde unrein auftritt und geschlämmt werden muss, wird sie meist zu feineren Steinen verarbeitet, wie zu den fälschlich sogen, gelben Klinkern (Birkenwerder, Hegermühle etc. ), welche keineswegs gesintert, sondern nur Hartbrand sind, aber einen hohen Grad von Druckfestigkeit haben, letzteres gilt in höchstem Maasse von dem grünen wirklichen Klinker. Die Hauptfund- und Fabrikationstätten dieser Arten von Ziegelerde sind: auf beiden Seiten der unteren Havel von Potsdam bis Brandenburg, Pätzow, Glindow. Werder, Ketzin, Lehnin: die Gegend an der oberen Spree, der Dahme und Notte, von Köpenick bis Storkow mit den Ziegeleien von Mittenwalde, Zossen am Kienitz- und Rüdersdorfer See mit Herzfelde; an der oberen Havel mit dem Havelländischen Kanal, Hermsdorf, Birkenwerder, Oranienburg, Cremmen: am Finow-Kanal und Werbellin-See: Schöpfurth, Hegermühle, Joachimsthal, Neustadt-Eberswalde, Hohenfinow, Freienwalde a. O., Hohensaathen. Innerhalb dieses grossen, Berlin von allen Seiten umgebenden Rayons, bilden die nach Hunderten zählenden Ziegeleien, je nach der Beschaffenheit ihrer Ziegelerde, kleinere Gruppen, welche die verschiedenartigsten Ziegel liefern, vom ordinärsten Hinlermauerungstein bis zum festesten Klinker und zu guten Verblendsteinen.

Zu dieser Gruppe gehören auch die Thonlager von Velten bei Oranienburg, obwohl dieselben weniger zu Ziegelsteinen als zu Ofenkacheln verarbeitet werden, wozu die Erde, welche in geschlämmtem Zustande etwa 25% kohlensauren Kalk enthält, wegen ihrer Fähigkeit, eine rein weisse Glasur frei von Haarrissen anzunehmen und zu konserviren, vorzüglich geeignet ist. Nahe verwandt ist dieser Gruppe die Ziegelerde, welche sich bei Bellinchen an der Oder findet; diese Erde behält auch bei den stärksten Hitzegraden ihre weiss-röthliche Farbe bei und liefert ein zu Wasser- wie zu Hochbauten gleich dauerhaftes Material, wie in Berlin namentlich die Packhofgebäude hinter dem Neuen Museum zeigen. Innerhalb der zweiten Gruppe, namentlich in der nächsten Nähe von Berlin finden sich ferner einige sehr sandige Lehmlager (bis zu 80% Sand auf 20% Thonsubstanz) der nordischen Diluvialschichten, welche nur wenig brauchbares, oft kaum transportfähiges Material liefern, aus welchem in den Jahren 1732-34 ein Theil der früheren Stadtmauer erbaut worden ist. Nach einem erfolglosen Versuch einer Aktiengesellschaft in den Jahren 1857-58 hat neuerdings der Deutsch-Holländische Bauverein (hierzu die Einlassungen von Albrecht Türrschmiedt – Die Ziegelei vor dem Rosenthaler Thore) auf demselben Terrain die Fabrikation wieder aufgenommen und unter Anwendung von Maschinen zur Bearbeitung der Erde und zum Mischen derselben mit fettem aus Freienwalde herbeigeholten Thon in Hofmann'schen Ringöfen einigermaassen brauchbare Steine erzielt. Auch auf anderen Punkten haben in der Zeit des höchsten Bedarfs kleinere Gesellschaften und Private diese Erde zu verwenden gesucht, aber ohne befriedigendes Resultat

3. Die dritte Gruppe der für Berlin arbeitenden Ziegeleien stützt sich auf das edelste Material, die feuerfesten Thone der Braunkohlenformation im Süden und Südosten, und zwar durchweg in grösserer Entfernung von Berlin und nicht an Wasserstrassen belegen. Am weitesten nach Westen finden sich die bedeutenden Thonlager der Gegend von Bitterfeld an der Anhaltischen Eisenbahn, woselbst die Greppiner Werke (vormals Stange) mit ihren schönen dunkelgelben Verblendsteinen und Terrakotten die eigentlichen Begründer dieser Industrie sind. Daran schliessen sich zunächst verschiedene bis jetzt noch nicht gehörig ausgebeutete Lager und weiter nach Osten die mächtigen Thonlager des Lausitzer Braunkohlengebiets au der Görlitzer- und deren Nachbarbahnen, und weiter südlich bis nach Schlesien hinein, woselbst vor allen die grossen Thonlager in der Nähe vou Lauban zu nennen sind. Es gehören dieser Gruppe noch die Ziegeleien bei Fürstenwalde und Frankfurt a.O. an, welche die mageren, oft nur wenige Prozent wirklichen Thons enthaltenden Ziegelerden verwerthen, aber bei sorgfältiger Bearbeitung und starkem Feuer doch noch einen als Hintermauerungsstein, allenfalls auch als Verblender oder Klinker zu verwendenden Ziegel liefern. Endlich sind dieser Gruppe auch noch die Tschauschwitzer Werke (in der Gegend von Neisse) zuzuzählen, welche wegen der grossen Transportkosten nur die feinsten Verblendsteine und Terrakotten nach Berlin liefern können. Die Produktionfähigkeit dieser Ziegeleien ist eine sehr verschiedene, aber wenn auch keine einzige darunter etwa mit den grossen Aktienziegeleien Wiens konkurriren kann, doch in ihrer Gesammtheit jedenfalls eine sehr bedeutende. Leider fehlt es an allen Anhaitcpunkten für eine richtige Schätzung derselben, und eine soche ist um so schwieriger, als der Bestand der Ziegeleien und die Zahl der Oefen auf denselben in beständiger Zunahme begriffen ist.

Auch über die Einfuhr und den Verbrauch von Ziegeln in Berlin liegen keine direkten Angaben vor, da eine Steuer auf Ziegelsteine oder Baumaterialien überhaupt, wie sie an anderen Orten besteht, hier gänzlich unbekannt ist.

Die Preise der Ziegelsteine, welche in früheren Jahren einigermaassen in gleicher Höhe sich bewegten, haben in der letzten Zeit ganz ausserordentliche Schwankungen erfahren; indessen ist trotz der wesentlich gestiegenen Arbeitlöhne und Brennmaterialpreise eine dauernde Preissteigerung von Bedeutung nicht eingetreten, was man der allgemeinen Einführung des Hoffmann'schen Ringofens und des Maschinenbetriebes verdankt.

Den niedrigsten Stand haben die Ziegelpreise in den Jahren 1848—49, 1864 und 1870. den höchsten in den Jahren 1863 und 1873 (Frühjahr) erreicht. Seitdem sind in solchen Mengen neue Ziegeleien ent- standen, dass es bei gleichzeitig etwas verminderter Bauthätigkeit jetzt fast den Anschein hat, als würden die Preise, wenn auch nur vorübergehend, auf diejenigen der früheren Zeiten herabgehen.

Nachstehende Tabelle lässt diese Preisbewegung in ihren Hauptzügen erkennen.

Das Noramlformat der hierorts verbrauchten Steine, hinter dem jedoch die geringeren Sorten gewöhnlich und namentlich in Zeiten gesteigerter Nachfrage etwas zurückbleiben, betrug früher 10", 4 5/6" und 21/2" rheinländisch und ist seit Einführung der neuen Maassysteins auf 25, 12 und 6,5 cm festgesetzt, wobei Länge und Breite etwas vermindert die Dicke etwas vergrössert ist, so dass der kubische Inhalt nahezu derselbe geblieben ist. — Unter den in der Tabelle aufgeführten Verblendsteinen sind gelbe Birkenwerder oder mit ihnen gleichwertige rothe Vollsteine verstanden. Geringere Sorten, die aber meist nicht besondere wetterbeständig sind, stellen sich natürlich billiger, wogegen die Preise für feinere Verblendsteine, welche stets als Lochsteine hergestellt werden, ausserordentlich verschieden sind und namentlich bei ferneren und durch künstliche Mischung der Thone zu erzielenden Farben eine Höhe von 150-200 Mk. für ganze Steine erreichen. Ermässigt werden die Kosten derselben aber wesentlich dadurch, dass im Mauerwerk statt der ganzen Binder nur Viertelsteine verwendet werden, deren Preis etwas über ¼ – ½ des Preises der ganzen Steine beträgt. Auch statt der ganzen Läufer werden, weil es manchen Fabriken schwer fällt, dieselben in ganz tadelloser Form und vollkommen gleichmässiger Färbung herzustellen, vielfach halbe Steine verwendet, so dass die Mauerfläche lauter Köpfe zeigt.

Unter den zahlreichen Ziegeleien, die oben in der ersten und zweiten Gruppe erwähnt sind, ist stets nur eine sehr geringe Zahl gewesen, welche überhaupt Verblendsteine gefertigt hat. und es hat lange gedauert, bis die Fabrikation derselben sich einigermaassen mit den Leistungen der mit auswärtigen Thonen arbeitenden Fabriken für grössere Terrakotten von Feilner, Gormann und March messen konnte. Abgesehen von der Bauakademie wurden zu Schinkel's Zeit, wie oben angegeben, nur ganz gewöhnliche aber wetterbeständige Ziegel zum Rohbau verwendet. Erst die von Wernicke begründete Ziegelei zu Hermsdorf fing an, ein etwas besseres Material und Formsteine zunächst von einfacherer Art herzustellen, welche längere Zeit in der Ziegelarchitektur Berlins geradezu herrschend blieben. Alle Kirchen seit Schinkel bis auf die neuere Zeit, d. h. einschliesslich der Thomaskirche und mit alleiniger Ausnahme der Matthäuskirche, sind aus diesem Material hergestellt, welches eine blassrothe, ziemlich gleichmässige Farbe hat. aber, wie sich allmälich zeigt, nicht absolut wetterbeständig ist. Bei den jüngeren Kirchen hat jene Fabrik später auch reichere Ornamente und grössere Formstücke geliefert, während die Figuren oder besonders schwierige Stücke nach dem Eingehen der Fabriken von Feilner und Gormann ausschliesslich von March in Charlottenburg bezogen wurden.

Der eleganteste Bau in diesem Stein ist das Komptoirgebäude der Borsig'schen Fabrik am ehemaligen Oranienburger Thore. Später hat die Ziegelei unter einem anderen Besitzer hohle Verblendsteine von etwas lebhafterer Farbe und in grösserer Sauberkeit geliefert, welche vielfache Anwendung gefunden haben, so namentlich zu einer grossen Anzahl städtischer Schulen und zur Innenarchitektur des Rathhauses. Im Jahre 1872 ist die Ziegelei in den Besitz einer Aktiengesellschaft übergegangen, welche den Schwerpunkt ihrer Thätigkeit auf die Fabrikation von Zement gelegt hat, da die Ziegel derselben mit einer Anzahl neu entstandener Fabriken in Bezug auf Eleganz nicht mehr konkurriren können.

Ungefähr aus derselben Zeit stammen die Ziegeleien bei Birkenwerder an der Havel, welche einen gelben, festen und wetterbeständigen Stein liefern, der theils als Klinker (wenn auch nicht im eigentlichen Sinne), theils als Verblender, auch heute noch selbst zu besseren Bauten vielfach verwendet wird. Aus diesem Material sind die Krankenanstalt Bethanien und die Ulanenkaserne zu Moabit erbaut. Ausserdem ist es vielfach zu Fabrikgebäuden und in besonderer Güte am Generalstabgebäude verwendet. Ein ähnliches Material liefern in neuerer Zeit die Ziegeleien von Hegermühle, wenngleich dasselbe von etwas hellerer Farbe und, nach dem Aussehen der daraus erbauteu Zionkirche zu urtheilen, weniger wetterbeständig ist. An dem unteren Theile des Finowkanals bis zur Oder befinden sich verschiedene Ziegeleien, welche Verblendsteine von rother Farbe liefern. Unter denselben verdient namentlich die von v. Bethmann-Hollweg in Niederfinow, welche hohle Verblend- und Formsteine mit gutem Erfolge im Ringofen brennt, sowie die von Kuhnheim&Comp, in Falkenberg Erwähnung. Ein ähnliches Material, jedoch leider von sehr wechselnder Güte, liefert die Ziegelei von Klau zu Zernsdorf an der Dahme. Auch bei Rathenow sind in neuerer Zeit aus geschlämmtem Thon feinere Verblendsteine (meist Hohlsteine) von dunkelrother Farbe und grosser Festigkeit fabrizirt worden.

Weit übertroffen werden die Fabrikate dieser Ziegeleien von denen der dritten Gruppe, unter denen als die ältesten die von Augustin zu Lauban, sowie die von Stange zu Greppin bei Bitterfeld zu nennen sind, beide jetzt im Besitz von Aktiengesellschaften, erstere aber noch unter Leitung ihres Begründers Augustin stehend. Dieselbe fertigte anfangs fast ausschliesslich Verblender und Terrakotten in lebhaft rother Farbe, wie sie unter Anderem am Rathhause. (Neues Rathaus Berlin) dem chemischen Laboratorium und der Münze verwendet sind, nur ausnahmweise lieferte sie zum Empfangsgebäude der Ostbahn im Verein mit Baumann in Lindow helle, fast weisse Steine von ausserordentlicher Feinheit, die aber in der mit Kohlenstaub geschwängerten Atmosphäre Berlins ihre reine Farbe nicht lange bewahren konnten. Die Greppiner Fabrik dagegen lieferte von Anfang an Material von dunkelgelber Farbe, mitunter etwas ins röthliche fallend, wie am Kopfbau des Empfangsgebäudes der Potsdamer Bahn, oder von etwas mehr brauner Farbe, wie an der Universitätbibliothek, in neuester Zeit aber ausschliesslich lebhaft dunkelgelb, wie an der Flora und dem Askanischcn Gymnasium. Konnte man diesen ausgezeichneten Materialien noch einen Vorwurf machen, so war es der, dass die Farben, namentlich des Laubaner Roth, etwas zu brennend waren, und sich deshalb nicht gut zu einer Verwendung neben Sandstein eignen wollten. Man wünschte mildere Töne zu sehen. Dies veranlasste Augustin, unterstützt von einer reichen Auswahl verschiedener Thonsorten, zunächst Verblendsteine und Terrakotten in einem stumpferen Gelb bis zu Chamois, ferner solche in stumpfrother und in sogenannter Lederfarbe — worunter eine grosse Anzahl von Schattirungen zwischen Chamois und Braun verstanden werden — herzustellen, und es ist ein besonderer Vorzug der Fabrik, dass sie imstande ist, alle diese Farben mit grosser Sicherheit gleichmässig anzufertigen.

Eine Auswahl derselben bieten die Gebäude des Kassenvereins, der Jachmann'schen Hypothekenbank, das Krankenhaus im Friedrichshain und (vielleicht am schönsten) der noch in der Ausführung begriffene Bau des physiologischen Instituts in der Dorotheenstrasse. Der Laubaner Fabrik benachbart liegt die von Hersel zu Ullersdorf bei Naumburg a. Queiss, welche bei geringerem Umfange des Betriebs ein ähnliches Material, jedoch nur in hellrother bis Lederfarbe liefert, welches unter Anderem an der Sophienschule in der Weinmeisterstrasse und bei dem noch im Bau begriffenen Leibniz-Gymnasium am Mariannenplatze angewendet ist. Die Schlesische Thonwaarenfahrik (vorm. Friedenthal) zu Tschauschwitz bei Neisse bemüht sich, ein ähnliches Material zu liefern, wie Augustin, was ihr namentlich am Gebäude der Reichbank, sowie am Friedenthal’schen Hause in der Lennéstrasse in vorzüglicher Weise gelungen ist. Auch Terrakotten mit Glasuren hat diese Fabrik geliefert, unter Anderem vollständig glasirte in Majolikamanier zum letztgenannten Haus. Zu den erwähnten Fabriken ist in den letzten Jahren eine ganze Anzahl neuer getreten, die sich jedoch grossentheils noch im Stadium des Entstehens oder wenigstens der Versuche befinden, oder auch die aus ihrer Gründung herstammenden finanziellen Schwierigkeiten noch nicht überwunden haben. Es ist indessen zu hoffen, dass dieselben allmälich vollkommen leistungsfähig und zur Förderung des Backsteinbaus beitragen werden.

Es gilt dies namentlich von den auf grossen Betrieb angelegten Siegersdorfer und Hansdorfer Werken (Niederschlesien). Die Ziegelei von Bienwald & Rother in Liegnitz liefert bereits ein preiswürdiges Material (auch einfachere Formsteine) in rother Farbe, wogegen in der Nahe von Bitterfeld einige vorläufig noch kleinere Ziegeleien entstanden sind, auf welchen ein dem Greppiner ähnlicher Stein gefertigt wird. In Bezug auf die schon mehrfach erwähnte Fabrik von March in Charlottenburg ist noch zu sagen, dass dieselbe ihre Rohmaterialien je nach Bedarf aus den verschiedensten Lagern, z. Th. von weit her bezieht und nach sorgfaltigster Bearbeitung künstlich mischt, so dass sie im Stande ist, jede geforderte Farbe herzustellen. Verblendziegel fertigt diese Fabrik nur auf besondere Bestellung und von der feinsten Qualität (z. B. für das March'sche Haus in Charlottenburg und für die Passage), da sie nicht im Stande ist, bei geringeren Qualitäten mit anderen Fabriken im Preise zu konkurriren, wohl aber bei feineren Terrakotten und grösseren Kunstgegenständen, worin sie bis jetzt, ebenso wie in glasirten Waaren. noch unübertroffen ist. Die Fabrik hat vielfach architektonische Ornamente auf glasirtem Grunde, aber euch solche in vollständiger mehrfarbiger Glasur geliefert, worunter namentlich die Arbeiten am Pringsheim'schen Hause in der Wilhelmstrasse zu nennen sind.

Glasirte Thonröhren für Wasserleitungszwecke liefern die meisten der grösseren Ziegeleien der dritten Gruppe, besonders Greppin (nebst verschiedenen anderen in der Gegend von Bitterfeldt, Lauhan, Ullersdorf und Tschauschwitz, vor Allem aber die March'sche Fabrik, doch werden solche auch vielfach aus England eingeführt. Letztere sind häufig billiger, aber auch weniger gut als die besten einheimischen Röhren.

Fussbodenfliesen einfacherer Art wurden in früherer Zeit von den besseren Ziegeleien und namentlich von March vielfach hergestellt. Mit dem Steigen der Ansprüche daran sind solche mehr von auswärts eingeführt, namentlich die aus verschieden gefärbten Thonen zusammengesetzten, reiche Teppichmuster bildenden Fliesen von Mettlach und einigen anderen rheinländisehen Fabriken. Ein ähnliches Fabrikat fertigt hierorts nur noch March, der dasselbe auch zur Herstellung von reich ornamentirten Platten nach Art der Sgraffiten verwendet.

Die Fabrikation von Kachelöfen ist eine in Berlin altheimische und stand in früheren Zeiten, namentlich durch die Thätigkeit Feilner's, auf einer vergleichweise hohen Stufe, hat aber an dem in allen Zweigen des Bauwesens während der letzten Jahrzehnte eingetretenen Aufschwünge am wenigsten Theil genommen. Der alte Berliner Kachelofen, bei dem die höchste Aufgabe in Herstellung einer möglichst blendend weissen und fehlerfreien Glasur bestand, herrscht noch immer vor, wenn er auch jetzt meist mit unglasirten — gewöhnlich angestrichenen und theilweise vergoldeten — Ornamenten versehen wird. Erst in neuester Zeit sind in Folge der Bemühungen einzelner Architekten theils für die grossen Industrie-Ausstellungen, theils für besonders luxuriöse Privatgebäude aus den Fabriken von Friese (Nachfolger von Feilner, jetzt aber auch eingegangen), Dankberg (jetzt Aktiengesellschaft), Titel und einigen Anderen Oefen und Kamine in reicher farbiger Ausstattung hervorgegangen. Auch das Gewerbemuseum ist jetzt bemüht, künstlerisch durchgebildete Vorbilder für die Ofenfabrikation zu schaffen.

Schliesslich seien hier noch die Prüfungsresultate über die Festigkeit einiger Ziegelsorten mitgetheilt, die immerhin von Interesse sein werden, wenngleich diese Festigkeiten, selbst der Steine aus ein und derselben Ziegelei und namentlich der geringeren Sorten, im Allgemeinen sehr wechselnde sind.

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