Woher nimmt Berlin seine Bausteine. Landeskunde und Statistik.

Vielleicht existirt keine zweite Stadt wie Berlin, die in einer Gegend entstanden ist, welche so vollständig von natürlichen Bausteinen entblößt ist wie die Mark. Als ein Unicum tritt Rüdersdorfer Kalkgebirge 4 Meilen östlich von Berlin, durchweg unter einer zum Theil starken Sanddecke, auf, ohne welches allerdings die Erbauung einer so colossalen (wenigstens in ihrem Wachsthum colossalen) Stadt kaum möglich gewesen wäre; in etwas größerer Entfernung kommt südlich bei Sperenberg, unter ähnlichen Verhältnissen ein Gypslager vor, welches jedoch wegen mangelnder Wasserverbindung nur eine verhältnißmäßig sehr dürftige Ausnutzung gefunden hat; die im nordischen Sand auftretenden granitischen Geschiebe oder erratischen Blöcke sind aus der nächsten Umgebung der Stadt bereits bei deren Gründung aufgebraucht, und müssen jetzt bei ihrer Unentbehrlichkeit mit beträchtlichen Kosten aus weiteren Fundstellen herbeigeschafft werden. Ebenso das Bauholz. So kommt es denn, daß die Ziegelerde fast das ausschließliche Material, von einigen wenigen Sandsteinverblendungen abgesehen, für die ungeheure Häusermasse abgegeben hat. Diese ist zwar in großen Mengen vorhanden, jedoch nirgends von der Natur so unmittelbar geliefert, d.h. auf jeder Baustelle oder in unmittelbarer Nähe vorhanden, wie z.B. in London, Wien und anderen Orten, sondern ist überall mit einer Sandschicht überdeckt, die gerade an den bedeutendsten Arbeitsstellen oft 30-40 Fuß und darüber erreicht. An einigen Hauptfundstellen muß sie sogar unter Wasser in mühsamer und kostspieliger Weise gewonnen werden; auch unter Torf wird stellenweise Ziegelerde ausgebeutet.

Ohne die durch die Spree und Havel mit ihren Nebenseeen gegebenen Wasserwege, welche bereits vor Jahrhunderten durch den Finow-, Müllroser und Plauenschen Canal mit Oder und Elbe von fürsorglichen Regenten in Verbindung gebracht sind, wäre der Aufbau der Stadt kaum ausführbar gewesen, denn wenn auch in den allerletzten Jahren die bereits nach 8 Seiten sich erstreckenden Eisenbahnen verhältnißmäßig große Massen von Baumaterial, zum Theil aus erheblichen Entfernungen, herbeiführen, so verschwindet dies Quantum doch gegen das, was bei normalem Wasserstande auf den Wasserwegen hereinkommt. Der durchschnittliche Consum an Mauersteinen übersteigt jetzt jährlich 550 Millionen *). Das Format dieser Steine ist für alle öffentlichen und den größeren Theil der Privatbauten das Normalformat, jedoch kommen leider auch viel schwächere d.h. an Volumen kleinere Steine für Privatbauten aus einzelnen Ziegeleien in den Handel.

Was die Qualität der Ziegelerden, aus denen für Berlin Steine gebrannt werden, betrifft, so ist, wenn man absieht von den feuerfesten Erden aus der Braunkohlenformation der Mark, der Lausitz und Provinz Sachsen, die erst seit wenigen Jahren den Berliner Bauten zu Gute kommen, nirgends der fette, plastische eigentliche Töpfertohn in irgend welchen nennenswerthen Lagern vorhanden; nur die Rathenower Erde kommt ihm nahe. Nach der verschiedenen Qualität der Ziegelerde, lassen sich sämmtliche für Berlin arbeitende Ziegeleien in vier Reihen gruppiren.

1. Die erste Reihe umfaßt die Ziegeleien, welche die sogenannten Rathenower Ziegel liefern. Diese verarbeiten einen sehr fetten **), plastischen, eisenhaltigen, meist Wiesentohn, stark mit schwarzfärbenden Knoten von Eisenoxydhydrat, deren Vorkommen als ein Charakteristicum dieser Erde angesehen wird, versetzt. Der Tohn kommt nur in schwächeren einige Fuß dicken Lagern vor, meist im Inundationsgebiet der unteren Havel und der daran

stoßenden Elbniederung; er enthält keinerlei schädliche Beimischung, wird nur durch Auswintern und durch den Tohnschneider bearbeitet, meist noch mit der Hand geformt, reißt leicht, verlangt daher vollständig verschließbare Trockenschuppen und wird merkwürdigerweise noch meist in Oefen alter Construction gebrannt. Er ist im Lager gelblich erdig gefärbt und reißt getrocknet würflich. In der nächsten Umgegend von Rathenow ist er kaum mehr vorhanden, und wird aus entfernteren Ablagerungen dorthin oder der Elbe verfrachtet und zu Dachsteinen und Mauerziegeln verarbeitet oder auch an jenen Fundorten selbst (Havelberg, Wittenberge ec.) zu Steinen fabricirt.

Diese Erde, welche schon bei Schwachbrand einen festen hellklingenden (wenngleich in diesem Zustande keineswegs wetterbeständigen) Stein liefert, färbt hierbei ganz hellroth, fast gelblich, bei stärkerem Mittelbrande frischroth (das eigentliche Ziegelroth), bei noch stärkerem oder Hartbrand dunkelroth, schließlich bei Klinkerbrand violett. Sie lieferte für das alte Berlin das edelste, noch jetzt hochgeachtete und theuer bezahlte Rathenower Ziegelmaterial. Für Dachsteine wird es noch jetzt fast ausschließlich verwendet. Stark eisenhaltige rothfärbende Erden, meistens sandige Lehme, welche in der Nähe des Plauenschen Canals (die besten) u. a. Orten gefunden werden, liefern einen ähnlich aussehenden, im großen Durchschnitt aber sehr viel weniger festen Stein, den sogenannten wilden Rathenower.

Die älteren Rohbauten wie die Nicolai- und Klosterkirche in Berlin, sind ausschließlich von dem sehr tragfähigen rathenower Material ausgeführt worden. Später wurden sie für besonders schwerbelastete Constructionstheile vorgeschrieben, werden jedoch hierfür in neuerer Zeit nicht mehr ausschließlich verwendet, da Klinker aus anderen Erden *) dieselben an Tragfähigkeit vielfach übertreffen.

2. Das weitaus größte Quantum von Ziegeln (vielleicht 80%) liefern die Ziegeleien, welche meist graubläulich feinschluffige, kalkhaltige und in sehr verschiedenen Mischungsverhältnisse auftretende, beim Zusammentrocknen nicht würfelnde Erden verarbeiten. Dieselbe giebt bei Schwachbrand erdig röthlich (durchaus nicht ziegelroth) gefärbte, bei Mittelbrand weiße und bei Hartbrand zuerst gelbe, dann orange, schließlich bei Klinker grüne Steine. Diese Erde hat den großen Vorzug, daß sie in ihren weitaus zahlreichsten Mischungsverhältnissen sehr wenig Neigung für Trockenrisse zeigt, was sie ihrem oft bedeutenden Gehalt an fein vertheiltem kohlensauren Kalk und feinem Sande verdankt; sie ist meist in stärkeren Bänken und in der Regel frei von schädlichen Beimengungen abgelagert, hat verhältnißmäßig keine hohen Temperaturen beim Brennen nöthig und vereinfacht daher die Fabrication außerordentlich. Wo diese Erde unrein auftritt und geschlämmt werden muß, wird sie meist zu feineren Steinen verarbeitet, für die gerne höhere Preise gezahlt werden, wie zu den fälschlich sogenannten gelben (Birkenwerder, Heegermühler ec.) Klinkern, die keineswegs in der Masse gesintert, sondern nur sogenannter Hartbrand sind, jedoch einen hohen Grad von Druckfestigkeit haben. Der aus diesen Erden gewonnene (wirkliche) grüne Klinker ist der festeste künstliche Baustein;

in Berlin ist er leider sehr wenig verlangt, obgleich er wegen seiner Festigkeit für Pflasterungen und Wasserbauten dem Basalt fast gleich zu stellen ist.

Die großen Fund- und Fabricationsstätten dieser Erde sind: auf beiden Seiten der unteren Havel, von Brandenburg bis Potsdam, Michelsdorf, Lehnin, Ketzin, Werder, Glindow, Paetzow, an der oberen Spree, Dahme und Notte, von Köpenick bis Storkow und Zossen, Kienitz und Rüdersdorfer See mit Herzfelde, die obere Havel mit dem Havelländischen Canal, Birkenwerder, Heegermühle, Oranienburg, Cremmen, Hermsdorf *), der Finowcanal mit Joachimsthal, Schöpfurth, Neustadt-Ew., Hohenfinow, Freienwalde, Hohensaathen. Innerhalb dieses Rayons sind die nach Hunderten zählenden Ziegeleien derart gruppirt, daß wie dies auch natürlich ist, die einzelnen Gruppen, dasselbe Rohmaterial verarbeitend, meist auch einerlei Gattung Steine liefern, und zwar von dem ordinairsten, wohlfeilsten Hintermauerungsstein (die meisten der erstgenannten Fabricationsstätten) bis zum feinsten Verblender (einzelne der mittleren und letzteren), von dem unansehnlichsten Schwachbrand bis zu dem festesten Klinker.

Das zu den Verblendern dieser Kategorien (weiße, gelbe und orange) erforderliche Rohmaterial wird, wie bereits erwähnt, fast durchweg durch Schlämmen gewonnen, dem für Klinker erforderlichen wird in der Regel noch Wiesenkalk während des Sumpfens und im Tohnschneider beigemengt. Die weiß oder gelben, ja selbst orange gebrannten, fälschlich Klinker genannten Steine sind nicht immer, namentlich aber dann nicht sehr dauerhaft, wenn sie, was zur Erzielung eines gleichmäßigeren Brandes sehr häufig geschieht, im Sumpf oder Tohnschneider mit feinem Brennstoff gemengt werden, eine Behandlungsweise, auf welche vielleicht das schnelle Dunkeln und Schmutzigwerden dieser Verblender fast immer zurückzuführen sein wird.

Bethanien, die neue Synagoge in der Oranienburgerstraße, die Caserne der Garde-Uhlanen und andere sind aus solchen Steinen erbaut. Soweit sie nur Hintermauerungssteine fabriciren, ist der Betrieb dieser Ziegeleien ein äußerst einfacher, so daß dadurch die zum Theil sehr bedeutenden Kosten, welche die Gewinnung der Erde verursacht, wieder compensirt werden. Nur hierdurch und durch die wohlfeilen Wasserwege ist es begreiflich, daß die Ziegelpreise in Berlin verhältnißmäßig niedrige **) sind.

Ein den Gruppen der zweiten Reihe nahestehendes, aber in zwei Beziehungen davon sehr verschiedenes Ziegelmaterial kommt in Bellinchen an der Oder vor, in Ansehen und der Behandlung, sowie in der Farbe des Schwachbrandes jenen gleich, wird es doch

nie weiß, gelb oder orange, sondern behält seine weißröthliche Farbe auch in den stärksten Hitzegraden und zeigt sowohl bei den Wasserbauten (am Finowcanal), als auch bei Hochbauten (die Packhofsgebäude hinter dem neuen Museum) keinerlei Vergänglichkeit.

Es mag hier gestattet sein, ein Wort zum Preise unseres großen Meisters Schinkel auch auf dem Gebiete der einfließen zu lassen. Er wußte, wie es auch die ehemalige Feilner'sche Fabrik bezeugt hat, mit eingehendem Verständniß auch das Technische seiner Ausführungen zu beeinflussen, und unter den verschiedenen Materialien auch die in Bezug auf ihre werthvollsten zu erforschen und auszuwählen. Die wunderschönen rothen Steine der Bauakademie sind in Königs-Wusterhausen fabricirt, auch die Gesimsstücke ec., soviel mir bekannt ist, aus einem Gemisch von Rathenower- und Wusterhauser Tohn. Von dieser Fabrik existirt seit vielen Jahren Nichts mehr, kaum daß die Stelle noch aufzufinden ist. In Bellinchen am rechten Oderufer zwischen Freienwalde und Schwedt, also von Berlin ziemlich weit ab, ließ er die vorerwähnten Steine zu dem Packhofsgebäude, namentlich den Packhofspeicher an der Cantianstraße fabriciren.

In Paetzow am Schwilowsee bei Potsdam, woselbst noch einige Rusticalarchitekturen von ihm in einem ausgezeichnet harten *) und klinkerfesten Stein vorhanden sind, bezog er diese letzteren, wo er ihrer bedurfte.

Der zweiten Gruppe von Ziegeleien, denjenigen, welche kalkhaltige Erden verarbeiten, reihen sich die den Veltener Tohn **) verarbeitenden Ziegelfabriksstätten an, obschon dies Material weniger zu Mauersteinen, als vielmehr zu Ofenkacheln verarbeitet wird, und zwar wegen seiner Fähigkeit, eine vorzügliche weiße Glasur haarrißfrei anzunehmen und zu conserviren. Wegen dieser letzten Eigenschaft und wegen der technischen und künstlerischen Vollkommenheit, welche die von Feilner s. Z. zuerst aus Veltener Tohn gefertigten glasirten sogenannten Berliner oder Porzellanöfen erhielten, hat der Veltener Tohn eine internationale Berühmtheit erlangt, und ist resp. wird auch heute noch als Handelsartikel weithin versendet. Dieser Tohn muß für die Bearbeitung geschlämmt werden.

3. Eine weitere Gruppe von Ziegelmaterialien liefern die meist sehr sandigen ***) Lehmlager der nordischen Diluvialschichten, welche fast durchweg ein Material geben, das, wenn überhaupt verwendbar, sofort an Ort und Stelle verbraucht werden muß, weil es einen Transport nicht vertragen kann. Bereits im vorigen Jahrhundert (1732-34) wurden von Lütticher Zieglern bei Lichtenberge Steine gebrannt, von denen die alte Stadtmauer aufgeführt ward. 1857 und 1858 wiederholte eine Actiengesellschaft, "die Waarencreditgesellschaft", den Versuch 20 Millionen Steine durch belgische Ziegler in Meilern aus dem Lehm der jetzigen Rosenthaler Vorstadt zu brennen, von welcher Masse nicht 2 Millionen wirklich zum Bauen verwendet werden konnten. Neuerdings hat der Deutsch-holländische Bauverein diese Versuche auf demselben Terrain wieder aufgenommen, allerdings unter Anwendung von Maschinen zur Bearbeitung der Erde resp. zum Mischen derselben mit fetter, aus Freienwalde herbeigeholter, und mit Benutzung des Hoffmann'schen Ringofenprincips zum Brennen. Außerdem haben nach allen Richtungen vor den Thoren Berlins, da wo nur einigermaßen bindende Erde gefunden wird, kleinere Baugesellschaften und Private Versuche gemacht, sich ihre Bausteine selbst zu brennen und freilich auch dadurch ihren Bauwerken von vornherein eine leichte Vergänglichkeit eingeimpft, wenn der Begierde dieser Steine, Feuchtigkeit einzusaugen, nicht durch Isolationen entgegengetreten ist.

4. Die letzte der für Berlin arbeitenden Reihen von Ziegelfabrikstätten hat erst im letzten Jahrzehnt und vorzugsweise in den letzten 4-5 Jahren eine Bedeutung erlangt. Die Industrie stützt sich auf eines der edelsten Ziegelerdematerialien, die Tohne der Braunkohlenformation; die Werke liegen überall in größerer Entfernung von Berlin, nicht an Wasserstraßen, und sind daher nur auf den Eisenbahntransport angewiesen. Hier liegt das zunächst wichtigste Vorkommen an der anhaltischen Bahn, namentlich in der Umgegend von Bitterfeld, und sind die Greppiner Werke dort die Begründer dieser Industrie. Weiterhin findet sich dies edle Material an der Görlitzer- und deren Nachbarbahnen, in den mächtigen Ablagerungen des Lausitzer Braunkohlengebiets; endlich die dritte Gruppe im Gebiet der niederschlesischen Bahn über die Mark hinaus, zum Theil schon in Schlesien.

Das hierher gehörige Rohmaterial ist weißlich oder gelblich gefärbt, zuweilen mit einem Stich ins Graue. Es ist mehr oder weniger mit feinem Glimmersand, oft auch mit gröberem Quarzsand vermischt, aber immer rein von Kalk oder sonst schädlichen Beimengungen. Reißen beim Trocknen hängt von der Quantität und Qualität des beigemischten Sandes ab. Seine Bearbeitung ist sowohl in Bezug auf Zerstörung der natürlichen Structur und Herstellung einer homogenen Masse, als auch in Bezug auf Erzielung eines volle Wetterbeständigkeit erreichenden Brandes sehr schwierig, und ist diesen Eigenschaften das Mißlingen vieler Fabrikationsversuche zuzuschreiben, zumal in solchen Fällen, wo man durch das elegante Aussehen ungenügend gebrannter Steine getäuscht sich verführen ließ, sie zu Façaden zu verwenden, und nach nicht langer Frist die Erfahrung machen mußte, daß sie nicht wetterbeständig seien.

Die Erde brennt sich meist weiß, in der Regel bei Schwachbrand erdigweiß mit einem Stich ins Graue oder Röthliche. Im Mittelbrand hellweiß, zuweilen mit einem Stich ins Gelbe. Im Hartbrand orange, eigentliche Klinker existiren hier nicht, weil die Hitzegrade, in denen diese erzeugt werden müßten, jenseits der Grenzen liegen, die in unseren gewöhnlichen Ziegelöfen angewendet werden. Theils weil dünnwandige Gegenstände sich leichter und gleichmäßiger durchbrennen, theils zur Ersparung von Eisenbahnfracht, werden die meisten Ziegel dieser Gruppe zum Transport nach Berlin als Hohl- oder poröse Steine angefertigt, und als solche geben sie Material für das Innere von Mauern und Gewölben her.

Auch sind die Verblender dieser Gruppe meist hohl und werden gewöhnlich als sogenannte Riemchen geliefert. Die hier vorkommende Ziegelerde giebt auch das Hauptmaterial für alle feineren Terracotten ab, namentlich auch für solche, welche durch Engobiren (Ueberzug oder Ueberguß mit einer anders färbenden Erde) durch Glasuren oder Emailleschmuck weiter verarbeitet und veredelt werden. Ebenso bildet es das Hauptmaterial für die großen städtischen Drainageröhren, die mit Salz- oder Erdglasur versehen werden. Die Fabriken bei Bitterfeld (Greppin an der Spitze) Hannsdorf, Siegersdorf, Lauban und Tschauschwitz, (letztere liefert allerdings nur die feinsten Verblender, Terracotten und glasirte Ornamente in Majolikamanier) wären hier zu erwähnen. Vorstehend genannte Werke liefern auch dunkelroth gefärbte Steine, und gehören hierher vor Allem die von Lauban für das Rathhaus und eine Anzahl anderer Gebäude bezogenen, vorzüglichen rothen Verblendsteine und Terracotten, während gelbe oder vielmehr lederfarbene hierhergehörende Verblender an der neuen Bank von Tschauschwitz, am Potsdamer Bahnhof von Greppin, an dem Mendelsohn'schen Wohnhause in der Jägerstraße von Siegersdorf u.s.w. bezogen sind. Das in Bezug auf Terracotten unstreitig den ersten Rang einnehmende Werk von March in Charlottenburg (die s. Z. einzig dastehende Feilner'sche Fabrik, von welcher die Arbeiten an der Bauakademie sind [?], ist eingegangen) ist natürlich an kein Rohmaterial gebunden, sondern bezieht je nach Bedürfniß alle möglichen Arten von Rohmaterial, setzt auch neue, durch Mischungen und unter Zuhülfenahme von Chemicalien, zusammen.

Als eine der vierten Reihe angehörende Gruppe sind die Ziegeleien bei Fürstenwalde und Frankfurt a. O. anzusehen, welche die meist im Hangenden der dortigen Braunkohlenlager auftretenden Ziegelerden verarbeiten. Diese ist eigentlich ein von fein zertheiltem Kohlenstoff braungefärbter Formsand *), feinster Schluffsand, dessen einziges Bindemittel ein paar Procent wirklicher Tohn ist, das tohnärmste Material was wohl zur Verarbeitung kommt, und doch wird mittelst Maschinenarbeit und starken Feuers bei sorgfältiger Behandlung ein Ziegel aus diesem Material gewonnen, der allen Anforderungen an einen festen gewöhnlichen Hintermauerungsstein entspricht, ja, sofern einige Sorgfalt auf die Verarbeitung verwendet wird, können sogar schön violett gefärbte, harte Verblender und braune Klinker erzielt werden. Die Ziegelei Adolfshöhe bei Fürstenwalde liefert für diese Gruppe eine interessante Fabrikationsstätte.

Es ist leicht erklärlich, daß bei der großen räumlichen Entfernung, auf welcher wir die für Berlin arbeitenden Ziegeleien aufzusuchen haben, und bei der ungeheuren Verschiedenheit, mit welcher die Erdschichten der jüngeren Formationsperioden, mit denen wir es überall hier nur zu thun haben, gebildet und zusammen gesetzt sind, nicht allein die Abweichungen unseres vom normalen Charakter der einzelnen Reihen, namentlich der zweiten und vierten außerordentlich verschieden sind, sondern daß auch unter den hunderten von Ziegeleien, die wir hier zusammen zu fassen versucht haben, manche sein mögen, für die die Subsummation unter die eine oder die andere der vier Reihen schwer fallen könnte.

Wenn für die Herstellung aller keramischen Kunsterzeugnisse, welche der Architekt für seine stets steigenden Bedürfnisse verlangt, die March'sche Fabrik eine der interessantesten Werkstätten ist, (dicht bei der Königl. Porzellanfabrik in Charlottenburg), in der wohl keine Leistung innerhalb des Bereichs von Terracotten, kleineren und größeren Figuren (die überlebensgroßen Figuren in den Friesen der Dirschauer Brücke, der Erzengel Michael über dem Eingang der Werder'schen Kirche) größeren Gesimsstücken in allen Formen und Farben, buntfarbigen Mosaikplatten (die Fußböden im neuen [Stüler'schen] Museum) ec. ungelöst bleibt, obschon die Fabrik sich nicht mit allen diesen Aufgaben gleichzeitig, sondern nur nach Bedarf und Aufgabe beschäftigt, so wird ein Besuch von Werder-Glindow (Potsdamer Bahnhof) ein angenehmes und anschauliches Bild vom Typus der Herstellung der meisten Berliner Hintermauerungssteine geben, (zweite Reihe von Ziegeleigruppen). Da wechseln Ziegeleien längs der Havelufer in bunter Reihe ab mit jenen Obstgärten, die durch den unermüdlichen Fleiß und die Intelligenz der Bewohner auf sterilen, zum Theil dünenartigem Sande entstanden sind und in guten Jahren Erträge bis zu 200 Thlr. Pacht pro Morgen (¼ Hectar) geben. Früher beeinträchtigten die unsäglichen Rauchwolken, der alten, damals in viel geringerer Zahl und viel kleinerem Umfange vorhandenen Ziegeleien das Gedeihen der Obstplantagen, seitdem die Hoffmannschen Ringöfen eingeführt sind, haben die darüber angestrengten Processe aufgehört.

Die Werderschen Ziegeleien erhalten ihre Erde fast ausschließlich zu Wasser aus Ketzin, woselbst sie aus einem Torfmoor unter Wasser gewonnen wird, die Glindower dagegen erwerben ihr Material in den ihnen benachbarten Sandbergen (oft 30-40 Fuß tief), deren Abraum im Laufe der Jahrhunderte bis zu 90 Fuß Höhe aufgeschüttet ist. Unmittelbar an Glindow schließen sich die durch Schinkel berühmten Petzower Ziegeleien an. Auf allen genannten ist bisher der Handbetrieb vorherrschend gewesen, die Erde wird nur gewintert und im Tohnschneider bearbeitet, im Freien und auf der Erde getrocknet, so daß an Gebäuden nur Vorrathschuppen für lufttrockne Steine und die Ringöfen existiren, unter denen meist auch die Torfvorräthe lagern (?). Ueberall ist systematische Einfachheit, Fleiß und Intelligenz sichtbar, und die sämmtlichen Anlagen liefern gleichzeitig mit den vielbuchtigen Seen, den sorgsam gehegten Gärten und belaubten Hügeln eines der lieblichsten landschaftlichen Bilder der Mark.

Von den Ziegelwerken, die mit Maschinen arbeiten, neben Hintermaurungssteinen auch Verblender und feine Architekturtheile liefern, (Zernsdorf, Hermsdorf, Birkenwerder u.s.w.) ist eines der interessantesten und nebenbei leicht (vom Stettiner Bahnhof) erreichbaren, die des Herrn von Bethmann-Hollweg in Niederfinow, dessen geschlämmte Tohnmasse sich roth brennt (nicht das eigentliche Ziegelroth der Rathenower Erde), ausgezeichnet homogen ist, und vorzügliche, namentlich auch größere Architekturstücke liefert; in etwa ½ stündiger Entfernung liegt bereits im Bereich der märkischen Schweiz, das ganz ähnliche Werk von Kuhnheim & Co. im Alaunwerk.

Diese kurze Scizzirung der Ziegelproduction, welche das für Berlin wichtigste Baumaterial liefert, wird, wie ich hoffe, demjenigen, der sich einen Einblick in die Fabrication und die Eigenschaften der Berliner Ziegel verschaffen will, einen Anhalt gewähren, um sich durch die große Zahl der arbeitenden Fabriken in der Uebersicht nicht verwirren zu lassen.

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